Ursula Bolck-Jopp  
Aktuell

Scrabble, Ölpastell/Notizpapier, 20x48 cm

Magical Mystery Tour, Katalogvorwort, Neue Galerie, 2018
von Franz Schneider

Wie beiläufige Notate wirken die Zeichnungen von Ursula Bolck-Jopp auf den ersten Blick, mit rasch hingeworfenen Dingstudien oder flüchtig skizzierten Figuren, welche auf dem gerade vorhandenen Papiermaterial mit knappsten zeichnerischen Mitteln und reduzierter Farbpalette festgehalten werden. Die Künstlerin versteht sich auf die feine Kunst der Andeutungen: Wenige haarfeine Striche formen sich zu Stromleitungen oder zu einem Kandelaber in einem venezianischen Palazzo, ein paar senkrechte Kreidestriche werden zu einem kahlen Birkenwäldchen am Rande eines verschneiten Feldes; ein kleines farbiges Rechteck genügt, um je nach Situation ein Gebäude oder ein innenarchitektonisches Detail anzudeuten.
Ein paar Zeitungsausrisse, in die Zeichnungen hinein geklebt, werden zu Mauern, Parkbänken, Hochhäusern, zu Tischkanten oder Wanddurchbrüchen und eröffnen so unversehens weitere eingeschobene Bildebenen. All diese sparsamen Setzungen dienen jedoch nicht nur der Schaffung einer vieldeutigen Topologie, sondern auch einer atmosphärischen Grundierung: der Schwung eines rötlichen Pastellstriches mutiert zur Abendsonne, in die hinein sich ein Dampfschiff von bereits verschatteten Ufer-Palmen entfernt; vor einem orangefarbenen Kreidefleck wiegen sich blauschwarze Zypressen und wecken die Erinnerung an einen stillen Sommerabend in der römischen Campagna – beinahe im Handstreich gelingt es der Künstlerin immer wieder, den Betrachter auch emotional einzunehmen.
Dabei wirkt alles so federleicht und geradezu naheliegend: Als Hintergrund ihrer Zeichnungen verwendet die Künstlerin meist bereits benutzte Notizzettel. Zusätzliche Versatzstücke - ein Prospektausschnitt, eine Restaurantrechnung, eine Wegbeschreibung, ein Ticket - materialisieren sich auf der Bildfläche und werden dabei lesbarer Verweis auf einen realen, vergangenen Moment, der im Bild noch einmal aufglimmt und im Erinnerungsspeicher des Betrachters einen Widerschein findet. All diese alltäglichen Wirklichkeitsbelege erweitern jedoch zugleich die Bildebenen und lassen sich nicht ohne weiteres in unsere Bildvorstellungen integrieren. Diese irritierende Konstellation von Bildelementen bringt die Perspektive mehrmals ins Kippen und verhindert, dass sich die Zeichnungen unseren zentralperspektivischen Blickerwartungen fügen. Auch die zeichnerischen Elemente fügen sich nicht in die klassische Abfolge von Vorder-, Mittel- und Hintergrund, sondern entfalten ein Spiel der immer wieder in Frage gestellten und ineinander geschobenen Perspektiven.

Das erinnert zuweilen an Landschaftsdarstellungen in asiatischen Pinselzeichnungen. Und tatsächlich balanciert auch bei Ursula Bolck-Jopp die Linienführung der Pastellkreide oder der papierenen Risskante zwischen materialbedingter Unberechenbarkeit und ausgeklügelter Präzision. Dabei wird eher wenig dem Zufall überlassen, sondern mit erstaunlicher Leichtigkeit das zufällig Vorhandene für überraschende Bildsetzungen genutzt. Eine rote Linie, eigentlich die senkrechte Trennlinie eines Vokabelheftes, wird zur Trottoirkante in „dog walk“, zur Uferlinie in „duck walk“, zur Wäscheleine oder zum Drahtseil oder auch zur Oberkante eines Sideboards – je nach dem weiteren zeichnerischen Repertoire, das mit wenigen sicheren Strichen diesen Linien beigestellt wird. Dies gilt auch für die bereits vorhandenen Elemente der schon einmal benutzten Papiere: So werden die Schriftfragmente auf den verwendeten Notizblättern als graphische Formen genutzt und in das Bild integriert, zuweilen sogar inhaltlich neu gedeutet als „Menetekel“ an einer nun imaginierten Wandfläche.
Kaum aber meint der Betrachter, ein probates Deutungsmuster erkannt zu haben, weist ihn die Künstlerin gleich wieder zurück und lässt eine Maschinenschrift titeln: „Das ist nicht fürchterlich. Das ist einfach nur’n Schuh.“ So kippt unsere Aufmerksamkeit immer wieder hin und her zwischen der Materialität des Bildes und seiner graphischen wie zeichenhaften Darstellung, zwischen materieller und vorgestellter Realität, und hinter einem luftigen, immer wieder neu miteinander korrespondierenden Schwarm aus frei schwebenden Bedeutungs-Ebenen dringt noch eine weitere, ursprüngliche und all diese Bildprozesse auslösende hervor, die die Tiefe des Bildes besetzt und die sich mit unseren Erinnerungen, Emotionen und Vorstellungen zu einem poetischen Bild verdichtet, welches sich verselbständigt und für jeden von uns eine ganz eigene Wirklichkeit ergibt.
Die ursprünglich vermeintliche Leere des Bildes wird zum unverstellten Flugfeld für unsere Gedanken, unsere Träume und unsere inneren Bilder. Dass dort darüber hinaus häufig einsame Figuren in den weiten Raum gespannt sind, erfüllt ihn oft mit einem melancholischen Grundklang von gedankenversunkener Selbstbezogenheit. Zuweilen auftauchende Spiegel verstärken dies; und gerade die Bilder auf Leinwand sinken mit ihrer nächtlichen Farbpalette in eine dunkler gestimmte, von nachdenklicher Verlorenheit getönte Zwischenwelt, deren berührendem Zauber sich der Betrachter kaum zu entziehen vermag.
In solch magischen Momenten genügt eine unmerkliche Verschiebung, eine sachte Verschleierung, eine bewegende Pinselspur, um die imaginative Kraft, die sich in diesen so beiläufigen Material- und Farbkompositionen akkumuliert, zur Entladung zu bringen. Dann wieder oszilliert das Anekdotische des Bildes ins Zeichenhafte, reduziert sich von der Anschauung in die Abstraktion, und kurz bevor es in reine Farbe und Form gerinnt, genügt eine leichte, aber traumwandlerisch sichere Verlängerung eines Kreidestrichs, um die Spiegelung eines Schiffsmastes in einem See entstehen zu lassen, und die „Magical Mystery Tour“, das Spiel der Imagination aus dem Material heraus, beginnt von vorne.



Auszug aus der Rede zur Ausstellungseröffnung "Sehenswürdigkeiten" am 7.2.2013

von Anjalie Chaubal, Leiterin Städtische Galerie Cordonhaus Cham

„Sehenswürdigkeiten“ - wir halten auf Reisen Monumente, Naturphänomene und Menschen fotografisch fest, betrachten Kunstgegenstände und sehenswerte Relikte der Vergangenheit in Museen und Ausstellungen, kaufen Ansichtskarten und lassen damit auch unser Umfeld an persönlich erlebten „Sehenswürdigkeiten“ teilhaben. Die Künstler dieser Ausstellung erweitern den Begriff und führen uns auf eine individuelle Fährte der Wahrnehmung. Nicht die Realität wird in den Werken von Ursula Bolck-Jopp und Günther Kempf abgebildet, sondern aus bekannten und unbekannten Motiven zusammengesetzte Gesamtbilder von verschiedenen Orten und aus verschiedenen Zeiten. Wenngleich auch Reisen – wie ein Stipendium von Ursula Bolck-Jopp nach Virginia im Jahr 2008 - Fragmente liefern, so entstehen die Kompositionen - teils vor Ort, teils aus der Erinnerung - doch zuallererst im Kopf der Künstler.
Und so erzählt Ursula Bolck-Jopp in ihren Zeichnungen, Malereien und Collagen Geschichten von imaginären Orten zwischen Wirklichkeit und Phantasie. Sie verarbeitet Fundstücke und Gebrauchsgegenstände wie Papierverpackungen, Zeitungsausschnitte, Stoffreste und neuerdings Fotografien, schneidet oder reißt sie zu Figuren und montiert sie zu gezeichneten Elementen auf Papier. In der Serie der „Interieurs“ von 2008 im Kreuzgang finden sich Spiegel, Kronleuchter, Möbelstücke, Fenster- und Türöffnungen, die auf mehrfach geknickten oder überklebten Papierstrukturen den Bildraum gliedern. Außen und innen vermischen sich in ihren Darstellungen zu einem Kontinuum, das durch flächige Kreidespuren an vereinzelten Stellen geheimnisvoll verfremdet wird. Das Zurückgreifen auf Alltagsgegenstände ist kein genuin weibliches Thema, doch wählt Ursula Bolck-Jopp Objekte aus ihrem persönlichen Umfeld, die besonders einer weiblichen Wahrnehmung entsprechen – wie sie es in der schwarzen Serie im Kreuzgang mit Stiletto, Sektglas und einem Frauentorso mit dem Schriftzug „Du bist schön“ sehr deutlich nachvollziehen können.
Aus ihrem natürlichen Zusammenhang gelöst, verstärken die verwendeten Symbole wie Spiegel oder eine Frau in Rückenansicht die Reflexion der Künstlerin selbst. Die Collagen tragen Titel, die erst im Arbeitsprozess entstehen. In ihrer Anordnung und Kombination erhalten Fundstücke und Zeichnung ihre Bedeutung und werden von der Künstlerin in einen erzählerischen Zusammenhang gebracht. In ihren neuesten Arbeiten von 2012/13, wie wir sie hier in der Kapelle sehen, kehrt Ursula Bolck-Jopp zur Malerei zurück. Ihre Vorliebe für das kleine Format sprengt sie in dieser Serie und greift damit auf frühere Werkgruppen zurück. Sie überdeckt teils vorhandene Bilder großflächig mit Weiß, Pastelltönen oder Schwarz, schafft sensible Übergänge, überklebt Stellen mit Fotografien, Zeitungsschnipseln oder Glanzpapier, lässt nur an manchen Stellen Spuren der ursprünglichen Fassung durchscheinen oder kratzt bewusst Figuren in Umrisslinien oder Schriftkürzel heraus. Die Leinwände sind teils durch eine Horizontlinie gegliedert, ähneln einer Landschaft, betont durch hinzugefügte Motive wie Vögel, Äste, Wasser und Himmelszonen. Noch vielschichtiger staffelt sich dadurch der Bildraum, wandelt sich die Perspektive und zieht den Betrachter in die Tiefe.
Was in den Zeichnungen durch vermeintliche Leere assoziiert wird, ergibt sich in der Malerei durch helle Übermalungen. Doch was irritiert uns eigentlich an der Leere, entspricht sie nicht den Vorstellungen eines Bildes? Was sehen wir wenn die Leinwand übermalt ist? Eine farbige Fläche, Pinselspuren, untere Malschichten, teils dunkle Farbflächen und Auskratzungen. Vieles deutet auf die verschiedenen Ebenen und hinterlässt einen fließenden Übergang zwischen Zeichnung und Malerei. Disegno oder Colore? Überwiegt der zeichnerische Charakter oder der malerische? Es bleibt das Rätselhafte, das die Arbeit von Ursula Bolck- Jopp so spannend macht.
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Auszug aus einer Rede in der Sparkassen-Galerie Nördlingen 15. März 2012
von Stefan Graupner, Kunsthistoriker

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Ursula Bolck-Jopp hat ganz andere „Sehenswürdigkeiten“ im Blick, oder zunächst im Kopf. Es handelt sich um Orte, die es nicht im Andenkenladen als Ansichtskarten zu kaufen gibt. An diesen Orten war noch niemand, außer den Protagonisten: einem schwarzen „Wunschhund“ in Rückenansicht und winzigen menschlichen Figuren etwa. Und doch sind es Orte, die einem vertraut vorkommen oder denen man einmal begegnen könnte. Zunächst aus der Distanz, als beobachtete man die fragmentarischen Szenen von Weitem mit dem Fernglas.
Das Näherrücken oder Zoomen erfolgt im Kopf, die unbearbeiteten Stellen der über eine Ansichtskarte hinausgehenden Formate bieten Projektionsflächen für Sehenswürdigkeiten eigener real stattgefundener oder erträumter Reisen.
Besonders die Buntstiftzeichnungen aus dem Zyklus Virginia, der 2008 in den USA während eines Artist in Residence – Aufenthaltes im Virginia Center for the Creative Arts entstanden ist, ähneln Urlaubsperspektiven, wie man sie von Photos her zu kennen glaubt. Als würde man den Photoapparat verwackeln und das Motiv aus dem Fokus verlieren, lenken die Peitschenlampen am Straßenrand den Blick nach Oben. Auf die Spitzen der Wolkenkratzer, in den Himmel.

Die im Internet zugängliche Photodokumentation einer USA-Reise 2011 zeigt anschaulich, welche Anregungen sie aus den amerikanischen Stadtlandschaften für ihre Zeichnungs- Orte schöpft. Wie ein Roadmovie erzählt Ursula Bolck-Jopp von Orten, an denen sich sonderbare, für den Betrachter nicht nachvollziehbare und die Phantasie anregende Geschichten zutragen. Wie im Vorbeifahren aus dem Autofenster beobachtet, wird die Architektur, anders als bei Reinhild Gerum, noch szenisch bespielt. Ursula Bolck-Jopp, die bei Horst Sauerbruch an der Akademie der Bildenden Künste in München studiert und als Künstlerin über Stationen in München und Düsseldorf in der Nähe von Landshut ihr Domizil gefunden hat, setzt bei ihren Papierarbeiten auch Ausrisse aus ausländischen Tageszeitungen ein, die auf die Arbeit collagiert, wie in RAI uno (einem italienischen Rundfunkkanal), zugleich Titel gebend sein können. Es sind Materialfragmente ihrer Reiseerinnerungen.
Sie verwendet Kaugummipapier, Folien und Silberpapiere, um etwa das Alpenglühen der gleichnamigen Reihe zu verstärken. Stets wirken die Zeichnungen, wie es in manchen Besprechungen ihrer Arbeiten heißt, „spielerisch und leicht“. Aber das, so die Künstlerin, scheint nur einfach. Manchmal braucht es mehrere Anläufe, bis es gelingt. Hat Ursula Bolck-Jopp in früheren Arbeiten auch zerschlissene und verwitterte Fragmente von Plakatwänden eingesetzt, so klebt sie heute auf die meist linierten oder zart uni farbigen Untergründe gerissenes oder geschnittenes und teilweise mit Gouache beidseitig bearbeitetes Papier. Damit setzt sie architektonische Flächen, deren Wirkung sie mit Wachsmalkreiden verstärkt und mit Blei- und Farbstiftlinien fein umgarnt.
Reinhild Gerum überarbeitet Ikonen existenter Sehenswürdigkeiten, Ursula Bolck-Jopp hingegen lässt Sehenswürdigkeiten erst entstehen. Der Frage nach unseren Sehgewohnheiten und der Wiedererkennbarkeit von historischen Orten steht die Frage nach dem Ort, der in der Phantasie als unsere Sehenswürdigkeit entsteht, gegenüber.

Auszug aus der Rede zur Eröffnung von "Bestiarium" (mi Tom Kristen, 3.4.-8.5.2011)
von Franz Schneider, Neue Galerie Landshut

„Bestiarium“ lautet der Titel dieser Ausstellung von Ursula Bolck-Jopp und Tom Kristen; das klingt so lateinisch und gelehrt und alt, und tatsächlich gibt es Bestiarien schon seit dem frühen Mittelalter. Es sind Sammlungen von Tierbeschreibungen, wie sie etwa Isidor von Sevilla oder später Albertus Magnus herausgegeben haben; allerdings waren sie nach anderen Gesichtspunkten aufgebaut als unsere heutigen: Ausgehend von altgriechischen Beschreibungen von Tieren und Fabelwesen verknüpften sie Naturgeschichtliches mit Sagenhaftem und verquickten dies mit der christlichen Heilslehre. Das klingt nach einem sehr wilden Denken, das sich stark von dem analysierenden der modernen Wissenschaft unterscheidet. Claude Lévi-Strauss hat dieses Denken als „konkrete Logik“ der „premieres cultures“ beschrieben, eine Logik, die sowohl intellektuelle Elemente als auch solche der Anmutung oder des Gefühls vereint und die auf den vielgestaltigen Beziehungen zwischen den einzelnen Elementen beruht.
Ein Beispiel: So besteht beim afrikanischen Stamm der Luapula eine Beziehung zwischen dem Leopardenclan und dem Ziegenclan, weil ein Tier das andere frisst; zwischen dem Elefantenclan und dem Tonerdenclan aber, weil ehemals die Frauen, statt Behälter zu formen, Abdrücke von Elefantenfüßen aus dem Boden herauslösten und diese als Behälter verwendeten.
So ergibt, was zunächst unsinnig erscheint, durchaus Sinn, wenn das Denken bereit ist die Richtung zu wechseln. Und auch bei den Bildern dieser Ausstellung lohnt es sich, dass wir uns ihnen mit einem solch wilden Denken nähern, um uns ihrer Fülle gewahr zu werden. Auch wenn auf den ersten Blick ein vorherrschendes Merkmal der Bilder von Ursula Bolck- Jopp eher eine relative Leere zu sein scheint. „Central Park West“ von 2008 zum Beispiel. Im Grunde sehen wir nur ein paar Kreidespuren, die sich hin und wieder ein bisschen verdicken. Das Bild ruht auf einer roten Grundlinie, auf die mit wenigen Pastellstrichen die Silhouette eines Hundes hingetupft wird, der in die Bildflucht blickt. Ein roter Kreidestrich deutet eine Bogenlampe an, zwei blaue Flecken Parkbäume, die sich knorrig dem eleganten Schwung dieser Lampe entgegenrecken. Mehr gibt es nicht. Oder doch? Nun, da wäre noch das karierte grüne Blockblatt, welches als Bildträger fungiert, mit den zwei Lochungen an der Seite, die irritieren, weil sie sich nicht in unsere Bildvorstellungen integrieren lassen. So kippt unsere Aufmerksamkeit immer wieder hin und her zwischen der Materialität des Bildes und seiner Zeichnung, seiner Darstellung, zwischen materieller und vorgestellter Realität, und dahinter dringt noch eine weitere,imaginative Ebene hervor, die die Tiefe des Bildes besetzt und die sich auch ohne den Titel mit unseren Erinnerungen, gespeicherten Emotionen und Vorstellungen zu einem poetischen Bild verdichtet, welches sich völlig verselbständigt und für jeden von uns ein ganz eigenes Bild ergibt. Die ursprünglich vermeintliche Leere des Bildes wird zum unverstellten Flugfeld für unsere Gedanken, unsere Träume und unsere inneren Bilder. Dass dort darüber hinaus häufig einsame Figuren in den weiten Raum gespannt sind, erfüllt ihn oft mit einem melancholischen Grundklang.
Dabei ist immer wieder verblüffend, mit welcher Ökonomie der Mittel Ursula Bolck- Jopp größtmögliche Wirkung erzielt: Ein paar Zeitungsausrisse werden zu Mauern, Parkbänken, Hochhäusern, ein Kaugummipapier der Marke Brooklyn zu Tisch oder Bar (und das Kaugummi selbst zum Klebemittel). Wenige haarfeine Striche formen sich zu Stromleitungen oder zu einem Kandelaber in einem venezianischen Palazzo, ein kleines farbiges Rechteck genügt, um je nach Situation ein Gebäude oder ein innenarchitektonisches Detail anzudeuten. Doch unversehens machen sich diese Versatzstücke, ein Prospektausschnitt, eine Restaurantrechnung, eine Wegbeschreibung, ein Ticket wieder selbstständig, eröffnen weitere eingeschobene Bildebenen, werden konkreter Bestandteil der Bildfläche und zugleich ein lesbarer Verweis auf einen realen, vergangenen Moment, der im Bild noch einmal aufglimmt und den Erinnerungsspeicher des Betrachters funkensprühend neu auflädt.
Dann wieder verfließt das Anekdotische des Bildes zurück ins Zeichenhafte, reduziert sich von der Anschauung in die Abstraktion, und bevor es im rein Materialhaften gerinnt, genügt, wie beim Bild „Lake Champlain“ eine leichte, aber traumwandlerisch sichere Verlängerung eines Kreidestrichs, um die Spiegelung eines Schiffsmastes in einem See entstehen zu lassen, und das Spiel der Imagination aus dem Material heraus beginnt von vorne.
Dann hüpfen wieder Hasen auf die Bildfläche, streichen Hunde übers Papier und flattern rote Vögel durch das Bild, gerade noch so realistisch wie nötig, um einen verblüffend lebendigen Eindruck zu erwecken, gleichsam wie einer der „Schüttelkästen“ aus den Kunstkammern der frühen Neuzeit, in denen Nachbildungen von Echsen, Schnecken oder Schildkröten bei der kleinsten Erschütterung scheinbar zum Leben erweckt wurden. Es sind diese magischen Momente, in denen sich die imaginative Kraft entlädt, die in diesen scheinbar beiläufigen Material- und Farbkompositionen Ursula Bolck-Jopps wie in einem Bernstein geborgen ist.
(...)
Sowohl bei Tom Kristen als auch bei Ursula Bolck-Jopp entsteht dieser Zauber durch die Vielfalt der Beziehungsebenen in den Bildern, die beim Betrachter dieses magisch wilde Denken hervorrufen können, wenn er sich auf diese überbordenden Bildangebote einlässt, die nur auf den ersten Blick einfach und leicht zu bewältigen wirken.
Es sind wahre Bestiarien im Sinne einer nahezu unbegrenzten Lebendigkeit und Fülle - ganz im Sinne des Malers Nicholas de Stael, der sagte: „Der Bildraum ist zwar eine Mauer, aber alle Vögel der Welt fliegen darin herum.“

Aus Artlas-Ausgabe IV (Juli 2010 - November 2010), Seite 34 u. 35

Der Künstlerin Ursula Bolck-Jopp gelingt es, mit sehr wenigen Mitteln aussagekräftige Kunstwerke zu schaffen. Dabei zeigt sie den Mut zur leeren Fläche und schafft es dennoch, diesen scheinbar leeren Raum mit Inhalt zu füllen. Ursula Bolck-Jopp wurde 1954 in München geboren. Von 1976 bis 1981 studierte sie an der Akademie der bildenden Künste in München, und arbeitete bis zum Jahre 1987 als Kunsterzieherin und Malerin. Seit 1988 ist Ursula Bolck-Jopp ausschließlich als freie Malerin tätig. Ihre Heimat hat sie mittlerweile in Vilsbiburg gefunden. Die Künstlerin kann derzeit auf mehr als 20 Jahre Ausstellungstätigkeit zurückblicken. Sie ist Mitglied im Kunstverein Landshut sowie im Berufsverband Bildender Künstler. Alles, was der Künstlerin nebensächlich erscheint, das lässt sie weg.

Die hier gezeigten Kunstwerke sind nicht durch eine Fülle von verarbeitetem Material, sondern durch eine Fülle von verarbeiteten Gedanken und Aussagen gekennzeichnet. Die exakt und mit Bedacht angeordneten Motive schaffen eine ganz eigene Atmosphäre, die den Betrachter im positiven Sinne dazu zwingen, sich mit der Aussage der Werke auseinander zu setzen. Mit wenigen Strichen verbindet Ursula Bolck-Jopp ihre Motive, oder setzt sie in einen gemeinsamen Kontext. Dem Betrachter erscheinen die leeren Flächen keineswegs als inhaltloser Raum. Ursula Bolck- Jopp setzt die grafischen Elemente und die Farben so geschickt ein, dass der Betrachter zum einen den von der Künstlerin definierten Raum erkennt, wie etwa die Bar oder den Strand. Zum anderen lässt die Künstlerin genügend Spielraum für eigene Gedankengänge und Fantasiereisen. So hat jeder Betrachter bei den Werken von Ursula Bolck- Jopp die Möglichkeit, seine eigene Realität mit der Kunst zu vermischen. Die Kunstwerke von Ursula Bolck-Jopp besitzen eine gedankliche Tiefe, die sich nicht immer auf den ersten Blick erschließt. Daher lohnt sich hier eine eingehendere Betrachtung in jedem Fall.

Einführung zur Ausstellung „lines & more“, 2010
Ursula Bolck-Jopp, Nikodemus Löffl, Galerie Zwanzigerhaus, Ried im Innkreis, A
von Sigrid Löffler, Künstlerin

Ich freue mich, dass wir wieder einmal mit Künstlern von weiter weg, diesmal aus Bayern, aus der Gegend von Landshut , über den regionalen Tellerrand blicken können, ich möchte die Beiden kurz vorstellen:
Ursula Bolck Jopp ist in München geboren, studierte an der Akademie der bildenden Künste in München und lebt seit 1988 als freiberufliche Künstlerin zuerst in Düsseldorf, seit 1994 lebt sie mit ihrer Familie im Landkreis Landshut. 2008 verbrachte sie einige Zeit im Zuge eines Art in Residence Stipendiums am Virginia Center for the Creative arts in den USA, wo auch etliche der heute gezeigten Arbeiten entstanden sind.
(...)
Die Linie ist ein Punkt, der spazieren geht – so hat es Paul Klee einmal poetisch ausgedrückt und sehr leichtfüßig muten die Arbeiten von Ursula Bolck Jopp an, nicht nur, wenn sie Textzeilen von Poeten assoziativ mit ihren Zeichnungen begleitet. Doch die Linie ist mehr – sie zeugt zum Beispiel seit den Höhlenmalereien der Steinzeit von der Fähigkeit des Menschen, komplexe visuelle Information durch Abstraktion auf das Wesentliche, zum Beispiel auf die reine Kontur zu reduzieren. Die Linie spielt auch eine große Rolle in der Entwicklung von Schrift, von standardisierten Zeichen, die je nach Zusammenhang verschiedenes bedeuten. Ursula Bolck Jopps Arbeiten, die sich zwischen Malerei, Zeichnung und Collage bewegen, verwenden ebenfalls reduzierte Zeichen, Elemente, die immer wieder vorkommen und doch in unterschiedlichem Zusammenhang andere Stimmungen vermitteln. Ihre Bilder nimmt man als Momentaufnahmen wahr, die aber ganze Geschichten im Kopf entstehen lassen, heitere, nachdenkliche, absurde.
Die Linie ist aber noch mehr. Mein Brockhaus aus dem Jahr 1903 definiert sie so schön: „Die Linie ist ein in der Länge Ausgedehntes ohne Breite oder Dicke“. Doch ist das nicht die ganze Wahrheit, denn ganz ohne Breite oder Dicke wäre sie nicht da. So war die Linie im 17 und 18. JH auch eine Maßeinheit, mit der zB die Dochtbreiten von Petroleumlampen, aber auch feinmechanische Teile der Uhrmacher gemessen wurden. Sie stellte den 12. Teil eines Zolls, den 144stel eines Pariser Fußes dar und entspricht etwa 2,2 heutigen mm.
Linien können Dinge oder Orte verbinden, sie können sie auch trennen, die Linie definiert oft erst das Umliegende.
(...)
Linien kennen wir auch im übertragenen Sinn, manche Linien verfolgt man ein Leben lang, manche verflüchtigen sich, brechen ab oder enden. Wir finden neue Linien, kommen an Kreuzungspunkte und müssen uns entscheiden. Auch in unserer künstlerischen Arbeit suchen wir immer unsere persönliche Linie, nicht immer verläuft sie gerade. Doch hier gilt, wie Bertold Brecht einmal sagte: „Angesichts von Hindernissen mag die kürzeste Linie zwischen zwei Punkten die Krumme sein“.

Einführung in der Jazz-club-galerie, 10.3.2008
von Renate Kristin, Künstlerin

Sehr geehrte D.u.H.,
eigentlich müsste ich viel leiser zu Ihnen sprechen um den Bildern von Ursula Bolck-Jopp gerecht zu werden. Ich müsste wenige Worte sagen, um dann irgendwann auf den Punkt zu kommen. Und selbst dieser Moment des „Aufden- Punkt-Kommens“ müsste zart und vorsichtig sein und doch in aller Zartheit vielsagend und sicher.
Nun, lassen Sie es mich versuchen mit hörbarer Stimme Ihnen mit einigen Gedanken weiter zu helfen bei dem Lesen der heutigen Ausstellung. Der Betrachter muss sich schon einlassen auf das Bildgeschehen. Und das nicht selten mit Brille oder zusammengekniffenen Augen. Aber dann, nach einiger Zeit der Anspannung, kann man das Erkennen auf den Gesichtern der Betrachter wie eine Erlösung bemerken und gleichzeitig ein Staunen und sogar ein Schmunzeln bemerken. Oder haben Sie vielleicht auf den ersten Blick die Frau mit dem blauen Mantel erkannt? Vielleicht ist es Ihnen so wie mir gegangen – ich habe, aus einiger Entfernung erst einmal gemeint, einen Regenschirm zu erkennen. Und doch – auf den zweiten Blick sind sämtliche Attribute eben „einer Frau mit blauem Mantel“ auf dem Blatt zu sehen. Nachdem ich die Werke von Ursula Bolck-Jopp bereits im Krankenhaus St. Josef im vergangenen Jahr gesehen hatte, konnte ich mir vorstellen, was jetzt hier an den Wänden hängen würde. Bilder bzw. Zeichnungen auf Leinwand oder Papier, die durch Collagen einen zusätzlichen Reiz erhalten. Und doch, ich muss gestehen, dass gerade diese kleinen, noch zerbrechlicher wirkenden Zeichnungen für mich wieder eine neue Überraschung waren.
Es sind fröhlich verspielte Zeichnungen, bis auf ein Minimum reduziert. Die paar Striche jedoch geben so viel von der Gedankenwelt der Künstlerin wieder, dass auch der Betrachter teilhaben kann an dem Spiel mit gewollter Aussage und dem „Nicht-Verraten-wollen“ bzw. dem „Offen-lassen“ für eventuelle eigene Gedanken. Der Titel ist nur eine Orientierungshilfe, der Rest bleibt jedem Einzelnen selbst überlassen.
Und immer wieder der Hund! Während ihrer Akademiezeit hat Ursula Bolck- Jopp die Hunde naturalistisch gemalt, wie übrigens alles andere auch. Das was jetzt übrig geblieben ist, hat sich im Laufe der Jahre entwickelt, entwickelt durch ihr eigenes Kennenlernen, dem immer wieder „Hineinschauen“ in das „Objekt Hund“.
Nachdem der Hund erst gemeinsam mit der imaginären Dame Coco (frei erfundene Figur von Ursula Bolck-Jopp) agiert hat, hat er sich irgendwann einmal selbständig gemacht. Auf einem Bild bindet diese Coco den Hund an und läuft weg. Vielleicht hat er sich das ja zu Herzen genommen und erkannt, dass er auf seinen eigenen 4 Füßen stehen kann.

Es sind aber auch Zufälle, die eine ganze Serie entstehen lassen. So z.B. hat sie eine GEDOK Ausstellung mit Bezug auf Literatur zu der Serie mit den Frauen inspiriert. Den Gedankensplitter „ein Fräulein stand am Meere“ hatte sie sich dazu von Heinrich Heine ausgeliehen.
Von Wolf Dieter Brinkmann stammt der Text auf dem Bild mit dem dicken Kaktus: „ein großer grüner Kaktus ist nach draußen gestellt worden. Er soll noch größer werden“. In diesem Wunsch steckt die ganze Sehnsucht des Dichters, die Sonntagnachmittage in seiner Heimatstadt Köln, die ihm so langweilig und kleinbürgerlich geworden ist – wachsen (so wie den Kaktus), also erträglicher, werden zu lassen.
Oder: „durch eine völlig glatte Fläche ganz aus monochromen Blau segelt – da oben der Pilot“. Die Fragen, die sich dabei auftun sind vielfältig: ist er aus einem Flieger herausgesprungen - freiwillig, segelt er zum Spaß da oben herum nur vom Wind in der Höhe gehalten, oder fällt er gerade herunter in seinen normalen, vielleicht recht grauen Alltag, heraus aus dem ätherischen Blau der Träume?
Eine andere Zeichnung verwirrt auf den ersten Blick. Sind das nicht Gräser, die vom unteren Bildrand in die Fläche hinein wachsen? Und dazu der Text: “später hat man Manhattan gesehen, erigierter Beton... besucht von flinken glitzernden Helikoptern“. (Text von Gerhard Falkner) Später, also nach genauerer Betrachtung, habe auch ich die Wolkenkratzer gesehen und darüber die Helikopter. Sind die nun bedrohlich, oder haben sie sich da oben getroffen, um gemeinsam einen Blick auf Manhattan zu werfen? Wie auch immer: „big girls don ́t cry“ (Rolf Dieter Brinkmann) Sie tragen red high heals (rote hohe Stöckelschuhe) und laufen ins Bild - oder auch davon heraus – grad wie sie wollen.
Zu dem Titel für diese Ausstellung ist sie wiederum durch die Bluesband „Saffire Uppity Women“ (hochnäsige Frauen) inspiriert worden, die mit ihrem frechen, feministisch angehauchten Blues eine Quelle an Fantasie für viele ihrer Werke geworden sind.
Zu Hause haben Sie sicher bereits über die Zeichnung auf der Einladung zum Thema: „was den Barmann auf Trab bringt nach einer langen Pause, in der nur der Ventilator zu hören gewesen ist“ schmunzeln können. Und sicher hat sie diese kleine Zeichnung neugierig gemacht auf das, was da wohl sonst noch alles zu sehen ist.
Ich jedenfalls wünsche ich Ihnen – nach einer langen Rede in der nur ich zu hören war – viel Vergnügen und viele neue Entdeckungen beim Betrachten der Zeichnungen von Ursula Bolck-Jopp und bedanke mich für ihre Aufmerksamkeit.

Eröffnung der Ausstellung „Hundstage“ in Regensburg, KKH St. Josef, 8.2.2007
von Ines Kohl, Kunsthistorikerin

Mode und Accessoires sind die Insignien der Frau. Mit ihnen bringt sie ihre Persönlichkeit zum Ausdruck. Allein über die liegen gelassenen Klamotten, häufig auch darüber, wie Frau sie liegen gelassen hat, kann man ihre Trägerin identifizieren. Geht Frau aus dem Haus, nutzt sie die Gelegenheit gern für einen Auftritt.
„Coco geht aus“, so heißt die Serie, in der Ursula Bolck-Jopp ihre Protagonistin vorstellt, deren Lebensführung wir aus den Accessoires im Bild rekonstruieren können. Was man sieht, sind Cocos Out-fits für den Abend, für den Flirt, für das tète-á-tète, sorgfältig ausgewählte Dessous, Kette, Tasche, Hut, das Fähnchen auf dem immer wieder auftauchenden Drahtbügel. Von Coco selbst kaum eine Spur, allenfalls ihr stöckelbeschuhter flinker Fuß oder der erotisierende lange, schwarze Abendhandschuh, modisches Zubehör, das an die Halbweltdamen Toulouse Lautrecs erinnert. Für die allerdings war das die Berufskleidung, die gingen damit nicht aus, sondern blieben in ihrer Bar. Coco hingegen „geht aus“. Dabei kann sie so richtig verrucht nicht sein, dazu wirken die Dinge alle viel zu fröhlich und unbefangen, zu natürlich und zu selbstverständlich, trotz der Hauptfarben Rot und Schwarz, die für gewagte Wäsche und aufreizende Negligés, für Liebe und Leidenschaft vor allem außerhalb der bürgerlichen vier Wände stehen.
Coco ist auch nicht frivol, was ja bedeutet, schamlos und ein bisschen „schlüpfrig“ zu sein, die gängigen Moralvorstellungen zu verletzen. Für Coco ist es völlig normal, ihre Reize gezielt einzusetzen, sie ist eine Frau des 20.Jahrhunderts, die gar nicht mehr auf die Idee kommt, sie müsse irgend jemandem Rechenschaft darüber ablegen, was sie tut oder lässt. Sie ist eine selbstbestimmte Frau unserer Gesellschaft, steht sozusagen, wie es ja immer noch heißt „ihren Mann“ und hat sich dabei aber selbstverständlich ihre weiblichen Reize bewahrt, den Charme einer Mischung aus Eliza Doolittle (My fair lady) und Holly Golightly (Frühstück bei Tiffany).
Für Ursula Bolck-Jopp ist das Motiv immer ein Anlass dazu, in der zart-transparenten Verbindung von Malerei und Zeichnung, von minimalen grafischen Effekten und malerisch subtil durchgearbeiteten, meist pastelligen Farbflächen ein Bild zu schaffen, das visueller Reiz ist und der Phantasie großen Spielraum gibt. Durch seine Reduzierung erfährt das Motiv eine Intensivierung des Ausdrucks, gibt mehr von sich preis, als auf den ersten Blick zu sehen ist. Gleich worum es sich handelt, ob um Cocos Abendgarderobe, um Schiffe (die es im Werk auch gibt), Blumen und Insekten oder um ein Hundeleben – mit ihrer Darstellung legt Ursula Bolck-Jopp die innere Struktur der Dinge offen, präzisiert Stimmungen, rückt die Verhältnisse zurecht.
Je weniger konkret Gegenständliches auf den Bildern zu sehen ist, desto intensiver offenbaren sich Charakteristika und Wesenseigenschaften durch die atmosphärische Dichte, die die Malerin auf den intensiv bearbeiteten Leinwänden und Papieren herstellt. Viele Farbschichten überlagern sich, die zarten Gelb, Rosé oder Blau changieren in verschiedenen Tönen, die nur geringfügig voneinander abweichen, sich aber manchmal so aneinander reiben, dass flimmernde Nachbilder auf der Netzhaut entstehen. Die fragilen, oft schwebenden, in typischer Haltung eingefangenen Blumen mit ihren zarten, verwehten Blütenköpfen gewinnen gerade in der Reduktion ihre vitale Präsenz, erscheinen geradezu bewegt. Die Spannung zwischen Fläche und Linie, ein Grundthema für Ursula Bolck-Jopp, wird hier zum Äußersten getrieben.
Auf den Papierarbeiten werden viele verschiedene Techniken und Materialien eingesetzt. Ursula Bolck-Jopp traktiert die transparenten Papiere von beiden Seiten mit Gouachefarben, mit Farbstiften und Ölpastellkreiden, setzt häufig kleine Stücke von bedrucktem Papier als Collagen ein und nimmt auch Zufallsergebnisse spontan mit auf.
Ihre Malerei ist von einer Bildauffassung gekennzeichnet, die mit dem Weniger ein Mehr an Ausdruck erreichen will. Wie die von ihr bewunderten Künstler, zu denen Karl Bohrmann und Andreas Bindl zählen, Satie Zech und Heike Pillemann, macht Ursula Bolck-Jopp in ihrer Kunst, die sich zwischen Gegenstand und Abstraktion bewegt, in der Tiefe Liegendes auf eine sehr poetische, leichthändige Weise sichtbar. Vor allem mit dem Mittel der Linie, die zum primären Ausdrucksträger des Dargestellten wird, nähert sie sich den Dingen mit großer Empfindsamkeit an. Figur und Gegenstand werden mithilfe der Linie in die Fläche der vorderen Bildebene geholt, wobei durch die sich vielfach überlagernden Farbschichten in den Ölbildern die zutage tretenden Motive hie und da auch eine gewisse Tiefe ahnen lassen.
Vor allem bei den Papierarbeiten kommt das erzählerische Element zum Tragen, sie lassen sich in der Serie wie Fortsetzungsgeschichten lesen und steigern sich dadurch in ihrer Wirkung. Das sieht man sehr schön an der Serie von Bildern, die der Ausstellung den Namen gegeben hat. Protagonist ist, wie „Hundstage“ schon sagt, ein kleiner Hund, es ist immer derselbe, der meist vonhinten, nach links oder nach rechts sitzend dargestellt ist. Mal hockt er unter einer Straßenlaterne, mal hängt er an der Leine, fast immer wartet er auf sein Frauchen oder versucht, ihm hinterherzukommen. Dieses Frauchen aber, hinter dem man wiederum wohl nicht zu unrecht Coco vermutet, ist nie zu sehen, allenfalls ein flüchtiger Fuß. Die Bildgeschichte wird spannend, wenn der Hund nach links halb aus dem Bild weggeht, von Frauchen nur ein verlorener roter Pumps zu sehen ist und ein offener Kanaldeckel die Phantasie beflügelt. Ist Frauchen dort hinein verschwunden? Und wenn, warum? Immer diese Abhängigkeit von der Leine...
Und da sind dann noch die beiden Dalmatinerhunde, anhand derer die Künstlerin wieder formal die Gelegenheit nutzt, „Punkt und Linie zu Fläche“ zu deklinieren, um Kandinsky zu zitieren. Ursula Bolck-Jopps Geschichten sind mit viel Charme erzählt und wer sie kennt, der weiß, das kommt nicht von ungefähr. Sie lassen den Betrachter im Unklaren darüber, was eigentlich passiert und wohin sich das Geschehen entwickeln wird sowie sie es auch seinem ergänzenden Blick überlassen, die Gegenstände, Menschen, Tiere oder Pflanzen aus der Bildfläche zu lösen. Viele Möglichkeiten also, die Phantasie spielen zu lassen, Coco, die Hunde, aber auch die Blumen und die Insekten geben dazu den Zündstoff.

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